Jan Heitmann
Jan Heitmann ist einer der bekanntesten Pokerspieler Deutschlands. Nach großen Erfolgen in diversen Turnieren tritt er heute hauptsächlich als Poker Coach, Keynote Speaker und Poker Experte auf. Im Gespräch mit Poker.de verrät der Profi die besten Tricks für Anfänger und gibt Tipps, wie man Pokerstrategien auch im Alltag nutzen kann.
Die Magie des Spiels: Von Zaubertricks zu Money Games
Jan Heitmann wurde 1976 in Olpe geboren. Schon in jungen Jahren interessierte er sich für Kartenspiele wie Skat und Doppelkopf und verbrachte seine Freizeit mit dem Erlernen von Kartentricks. Als Jugendlicher beschäftigte er sich intensiv mit der Theorie hinter diesen Tricks und verbesserte so seine Vorführkünste. Über Kommentare seines Umfelds stieß er auf das Pokerspiel:
Wenn man gute Kartenkunststücke vorführt, sagt häufig jemand, "Oh, mit dir möchte ich aber nicht Poker spielen!" – das kam immer mal wieder vor. Ich wollte mich dann ein bisschen schlau machen, damit ich das Spiel verstehe und weiß, worum es geht. Ich habe mich da reingefuchst und sofort gemerkt, dass Poker ein sehr, sehr spannendes Spiel ist und ein weiteres Hobby mit Karten, mit dem man Geld verdienen kann. Und dann gab es kein Halten mehr!
Wie schon die Kartentricks brachte sich Heitmann auch die Theorie des Pokerspielens über das Lesen verschiedener Bücher bei. Während seines BWL-Studiums begeisterte er seinen Freundeskreis für Poker und spielte in der Zeit zahlreiche Home Games. Auch seine ersten Schritte ins Casino erfolgten im Studium – in Wiesbaden versuchte sich Heitmann das erste Mal an einem öffentlichen Pokertisch.
Das Spiel im Casino lief so gut, dass der zukünftige Profi regelmäßig zurückkehrte – laut eigenen Aussagen mindestens einmal pro Monat.
Während meiner Auslandssemester habe ich dann Poker ein bisschen intensiviert. Ich habe ein halbes Jahr in Rotterdam studiert und war von dort aus in Amsterdam im Casino. Und ein halbes Jahr in Rouen, das ist in der Normandie in Frankreich. Von da aus war ich am Wochenende in den Pariser Kartenclubs, und habe immer mehr Poker gespielt.
Im Jahr 2003 trafen zwei Ereignisse aufeinander, die Heitmanns Poker-Karriere begünstigten. Er schloss sein Studium ab, und gleichzeitig löste ein einziger Poker-Gewinn in den USA einen nie dagewesenen Poker-Boom aus: Hobby-Pokerspieler Chris Moneymaker gewann das World Series of Poker Main Event, nachdem er sich über eine Onlinepoker-Webseite für die Weltmeisterschaft qualifiziert hatte.
Heitmann stand mit seinem BWL-Diplom in der Tasche nun vor der Frage, welchen Karriereweg er einschlagen sollte. Weder die Option, Investmentbanker zu werden, noch die Aussicht auf einen Job als Unternehmensberater schienen ihm verlockend.
Meine Lösung war: Ich mache erstmal Ferien.
So entschied sich Jan Heitmann, erst einmal durch Europa zu reisen und sich diese Reise durch das Pokerspielen zu finanzieren. "Der Plan war, wenn ich pleitegehe, dann komme ich nach Hause und such mir einen Job. Der Plan, der ist komplett schiefgelaufen. Ich bin nicht pleitegegangen."
Ein Jahr lang war Heitmann in Städten wie Barcelona, Wien, Amsterdam und Paris unterwegs und spielte während dieser Zeit Online Poker. 2004 flog er zum ersten Mal nach Las Vegas, um an der World Series of Poker teilzunehmen. "Alles in allem hat es so viel Spaß gemacht und war auch finanziell erfolgreich, dass ich gedacht habe: Mensch, das werde ich noch eine Weile weitermachen. Da hat sich aus Versehen eine Karriere entwickelt."
Jan Heitmanns größte Poker Gewinne
Zweiter Platz im No Limit Hold'em Main Event der European Poker Classics in London mit einem Preisgeld von rund 127.000 $
Gesamtgewinn von rund 86.000 $ in zwei Main Event Turnieren und dem Finale der EPT (European Poker Tour)
Gewinn von rund 23.000 $ in der 39. WSOP in Las Vegas
Erster Platz und knapp 27.000 $ Gewinn im No Limit Hold'em Turnier im Rahmen des sechsten Bellagio Cups in Las Vegas
Sieg in No Limit Hold'em Game des Kings Casinos in der Tschechischen
Republik
Ein besonders erfolgreiches Jahr für Jan Heitmann:
- Gewinn von 41.000 $ Preisgeld im No Limit Hold'em Main Event des PokerStars Caribbean Adventures
- Zweiter Platz mit rund 31.000 $ Preis in der österreichischen Casinos Austria Poker Tour
- Gewinn von knapp 23.000 $ im Berliner Main Event der EPT
- Sieg in den Schweizer High Limit Turnieren mit knaoo 30.000 $ Preisgeld
- Großer Gewinn von knapp 295.000 $ im No Limit Hold'em Event der 43. WSOP
- Erster Platz im Main Event der German Championship of Poker mit 130.000 $ Preisgeld
Rund 32.000 $ Preisgeld im No Limit Hold'em Main Event der EPT
Jan Heitmann 2024: Das macht der Pokerstar heute
Ich habe 15 Jahre lang tatsächlich vom Poker gelebt. Nicht nur vom Spielen selber, sondern ich habe auch Expertentätigkeiten gemacht, wie bei Sport 1 Pokersendungen wie German High Roller und die importierten amerikanischen Formate kommentiert. Ich war auch Coach der Promis, die bei Stefan Raab auf ProSieben die TV Total Pokernacht gespielt haben. Also, das heißt, ich habe auch nebenher gerne über Poker geredet.
Einen Teil seines beruflichen Werdegangs schreibt Heitmann im Interview mit Poker.de dem Pokerboom in den frühen 2000er Jahren zu – in der Zeit habe sich ein Markt um das Pokerspiel herum entwickelt, den der Profispieler in Deutschland mit geprägt hat.
Dass Heitmann heute beruflich umgesattelt hat, schreibt er verschiedenen Faktoren zu. "Wenn man 15 Jahre professionell Poker gespielt hat, dann ist auch mal Zeit für was anderes" – auch seine Familiensituation und Veränderungen des Pokermarktes veranlassten Jan Heitmann dazu, karrieretechnisch umzuschwenken und nicht mehr professionell Poker zu spielen.
Inzwischen rede ich nur noch darüber.
"Ich halte Workshops, Vorträge und Seminare im unternehmerischen Kontext und erkläre Führungskräften, Unternehmern und Entscheidern, wie ein Pokerspieler denkt." Heitmann erklärt, dass das Pokerspiel ein fantastisches Modell für Entscheidungsfindung ist. "Es bildet alle Aspekte einer Entscheidung ab und vor allen Dingen die beiden Bedingungen, unter denen jede Entscheidung stattfindet, nämlich Unsicherheit und unvollständige Information."
Der Ex-Profi bringt Unternehmern bei, wie diese die Strategien und Konzepte professioneller Pokerspieler im beruflichen Alltag für sich nutzen können. Das mache ihm wahnsinnig viel Spaß, denn er habe schon immer gerne über Poker geredet – heute eben in einem anderen Kontext als in früheren Jahrzehnten.
Jan Heitmann gibt Tipps für Poker und für's Leben
"Jede Entscheidung, die wir im Leben treffen, hat immer die gleiche Struktur. Es gibt immer etwas zu gewinnen, also einen Mehrwert, den wir erreichen wollen. Das ist beim Poker der Pott und im echten Leben können das Mehrwerte sein wie Unternehmensprofite oder mehr Zeit oder bessere Gesundheit.
Um den Mehrwert zu erreichen, muss man knappe Ressourcen einsetzen, sprich, man muss etwas riskieren. Das sind beim Poker die Chips. Im echten Leben sind das Ressourcen wie unser Arbeitseinsatz, unser Geld, unsere Motivation oder unsere Zeit.
Das Ganze findet immer unter Unsicherheit und unvollständigen Informationen statt. Das bildet Poker sehr gut ab. Die Unsicherheit kommt im Poker durch die Karten, die unvollständigen Informationen bringen die Gegner mit. Anhand dieses Modells kann man Konzepte sehr einfach erklären, die man übertragen kann auf die echte Welt."
"Alle Strategien, die im Poker funktionieren, funktionieren auch – ein bisschen abgewandelt – in der Businesswelt. Als Pokerspieler ist man zum Beispiel immer darauf aus, sich einen Informationsvorteil zu verschaffen und diesen auszunutzen.
Am Tisch ist die Position sehr wichtig. Es gibt immer einen, der ist als erster dran. Und es gibt einen, der darf als letzter agieren. Man sitzt lieber möglichst spät in der Abfolge. Warum? Weil man dann zum Entscheidungszeitpunkt wesentlich mehr Informationen zur Verfügung hat, als wenn man vorne sitzt.
Wenn ich als erster dran bin, dann weiß ich noch nicht, was hinter mir passiert. Wenn ich als letzter dran bin, weiß ich exakt, was vor mir passiert ist. Und mit mehr Informationen trifft man unter Unsicherheit bessere Entscheidungen."
"[Die Übertragbarkeit von Pokerstrategien auf Lebenssituationen] geht bis hin zu Metakonzepten oder Metathemen: Wie geht man mit Scheitern um? Was bedeutet Scheitern überhaupt? Wieso muss man häufiger scheitern oder häufiger verlieren als man gewinnen darf, um optimal zu spielen?
All das lässt sich sehr schnell in die Businesswelt übertragen. Ich bringe den Leuten bei, wie Poker funktioniert, was da für Konzepte dahinterliegen und stupse sie dann in die richtige Richtung, darüber nachzudenken "Was heißt denn das überhaupt?"
Die Teilnehmer [der Seminare] kommen von sich aus auf Ideen und auf Fälle, wo sie sagen "Mensch, das ist ja genau wie bei mir!" Die Parallelen werden den Leuten sehr schnell bewusst. Und die Erkenntnisse daraus bringen einen riesengroßen Mehrwert."
Anstatt anderen Leuten beim Kartenspiel Geld abzunehmen, bringe ich jetzt einen Mehrwert.
"Im Gegensatz zu meiner Pokerkarriere früher, die ja hauptsächlich daraus bestand, anderen Leuten beim Kartenspielen Geld abzunehmen, bringe ich jetzt anderen Leuten mit diesem Kartenspiel einen Mehrwert für ihre eigenen Entscheidungen.
Das macht mir jetzt – im Alter, möchte ich schon fast sagen – wesentlich mehr Spaß, Mehrwert zu stiften, und nicht nur anderen Leuten Geld abzunehmen. Wobei ich das natürlich als Hobby immer noch gerne mache."
Es geht um die Qualität der Entscheidung, nicht um das Resultat.
"Es gibt natürlich viele Momente im Leben, wo es schwer ist, Entscheidungen zu treffen. Eine Entscheidung ist ja immer zwischen zwei Alternativen, die einigermaßen gleichwertig sind. Wenn es eine Alternative gäbe, die super ist, und die andere ist schlecht, dann ist das keine schwierige Entscheidung. Dann nimmt man einfach die bessere.
Wenn eine große Unsicherheit über die Zukunft herrscht und die beiden Wege, die jetzt gerade möglich sind, was ihre Qualitäten angeht miteinander vergleichbar sind, dann kann man nur einen gehen. Man muss sich entscheiden.
Dadurch, dass Unsicherheit und unvollständige Informationen so eine große Rolle spielen, ist das eine der wichtigsten Lektionen, die man anhand von Poker erlernen und trainieren kann. Es geht um die Qualität der Entscheidung zum Entscheidungszeitpunkt, nicht um das Resultat.
Es kann gut sein, dass wir eine sehr gute Entscheidung treffen und dann mit Pech ein schlechtes Resultat dabei herauskommt. manchmal treffen wir eine schlechte Entscheidung, aber mit Glück kommt ein sehr gutes Resultat dabei raus. Der Zufall spielt immer eine Rolle.
Das ist einer der Punkte, die man beim Poker extrem gut trainieren und verstehen kann: Dass das Resultat nicht immer auch einen Rückschluss zulässt auf die Qualität der Entscheidung."